Schicke Rollis, Jeans und Blusen im besten Licht erscheinen lassen
In den Filialen von „Mode Hell“ – allesamt in bayerischen Mittelstädten gelegen – wird deshalb jede Menge Licht gebraucht. Gehobene Konfektionsware will von den Kunden in angemessener Beleuchtung ausgesucht und anprobiert werden. „Da zieht unsere Hauptfiliale schon 60.000 Watt auf 1.000 Quadratmetern Verkaufsfläche“, berichtet Michael Hell.
Der Unternehmer um die Fünfzig sieht sich als „Verfechter der Energiewende“. Privat fährt er Elektroauto und auch an den fünf Ladenimmobilien, die zusammen 4,5 Millionen Euro im Jahr mit hochwertiger Markenbekleidung umsetzen, hat er schon einiges getan, bevor er am dena-Modellvorhaben „Energieeffizient Handeln“ teilnahm. Jetzt will er wissen, was eine Energieberatung noch herausholen kann. Auch er will noch einmal 40 Prozent weniger Energie verbrauchen.
Das viele Licht im Laden sorgt für so große Wärme, dass Hell wohl auf Bademoden umstellen müsste, hätte er nicht schon vor Jahren eine klimafreundliche Erdkühlung installieren lassen. Aus 20 Meter Tiefe wird Grundwasser in Röhren durch die Decke der Ampfinger Niederlassung gepumpt, um die Räume auf angenehmen Temperaturen zu halten.
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„Um die Energieeffizienz unseres Hauses noch weiter zu verbessern, braucht man Fachleute, die das Potenzial herausarbeiten können.““
Hell erwägt nun noch, die 400 Halogenstrahler pro Laden auf sparsame LEDs umzustellen. Bisher ist er jedoch skeptisch. „Der Spareffekt beruht bei dieser Technologie darauf, dass das Rotspektrum rausgenommen wird. Das kann man im Textilhandel nicht brauchen. Ein roter Pullover sieht dann einfach zu flau aus“, sagt Hell.
Die Sanierungsoptionen sind in Ampfing ohnehin durch die ländliche Lage beschränkt. Der Ort hat zum Beispiel kein Fernwärmenetz, an das man die Hitze abgeben könnte. Das wäre auch die Crux beim Einbau eines Blockheizkraftwerks, den Hell erwägt. „Wohin mit der Wärme im Sommer?“, fragt er.
Und auch bei den Schaufenstern liegt der Königsweg noch nicht auf der Hand. Die rund um das Gebäude laufenden Scheiben gegen neue Fenster auszutauschen, würde zwar erheblich mehr Energie sparen. „Doch das ließe sich nur mit komplett neuer Rahmung bewerkstelligen – eine größere Baumaßnahme also“, meint Hell und fasst die Gesamtrechnung zusammen: „Beleuchtung: 40.000 Euro, ein Neun-Kilowatt-Blockheizkraftwerk: 30.000 Euro und neue Schaufenster: 150.000 Euro“.
Der Kunde im großen Lebensmittelmarkt legt Wert auf Klimaschutz
Von einer mittelständischen Bekleidungskette ist Oliver Veigl Lichtjahre entfernt. Als Bereichsleiter nachhaltiges Bauen des Bau- und Energieberaters CEV „revitalisiert“ er in Abstimmung mit der Handelskette Netto die Filialen eines der größten Einzelhandelsladennetze in Deutschland.
Bei insgesamt rund 4.200 Läden erfolgt die energetische Betrachtung generalstabsmäßig. Im Schnitt wird jede Filiale von Experten der Netto und von CEV alle sieben Jahre unter die Lupe genommen. „60 Prozent des Energieverbrauchs eines Lebensmittelmarkts macht die Kühltechnik aus, jeweils 20 Prozent entfallen auf die Beleuchtung und die Lüftung. Wenn Sie das alles auf einen neuen Stand bringen, haben sie das Energiesparziel oft schon erreicht“, so Veigl.
Am dena-Modellvorhaben „Energieeffizient Handeln“ nimmt ein Netto-Markt in Schönefeld südlich von Berlin teil. 40 Prozent des Energieverbrauchs sollen dort eingespart werden. Als Basis für die Modernisierung werden die Ergebnisse eines spezifischen Energieaudits herangezogen. Darüber hinaus werden bereits erprobte Optimierungskonzepte von Netto eingesetzt. Im neu gestalteten Eingangsbereich wird nach der Sanierung ein hochmoderner Türluftschleier sicherstellen, dass die Innentemperatur stabil bleibt. Eine Zwischensparrendämmung soll im Winter die Wärmeverluste über das Dach reduzieren und im Sommer verhindern, dass zu hohe Temperaturen im Ladengeschäft entstehen. Geplant sind auch ein LED-Beleuchtungskonzept, die Nutzung der Prozessabwärme aus der Kälteerzeugung zur Gebäudebeheizung und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Zudem werden Kälteanlagen und Tiefkühltruhen modernisiert und künftig mit natürlichem Kältemittel betrieben.
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„Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und wollen mit diesem Projekt einen wichtigen Beitrag zum Thema Klimaschutz leisten.“
Moderne Steuerungstechnik wird im Schönefelder Markt außerdem in Zukunft alle Komponenten der Anlagentechnik aufeinander abstimmen, so wie es bei allen Neubau- oder Modernisierungsvorhaben von Netto Standard ist. Über das permanente Monitoring können alle Systeme bei Bedarf nachjustiert werden. Fehlfunktionen oder Auffälligkeiten werden dadurch frühzeitig entdeckt. „Der Markt kann so sehr effizient gemanagt werden“, erklärt der Energieexperte.
Im Durchschnitt verbraucht ein typischer Einzelhandelsmarkt 210 Kilowattstunden weniger Energie pro Quadratmeter und Jahr als die meisten kleinen Geschäfte. Dennoch ähneln manche Probleme bei Netto denen bei „Mode Hell“ in Ampfing: Oft gibt es zu viel Wärme in den Läden, zum Beispiel durch die Körpertemperatur der Kunden oder die Sonneneinstrahlung auf die großen Glasflächen.
Ein Lebensmittelmarkt der Zukunft brauche denn auch keinen Gasanschluss mehr, erläutert Veigl: „Die Abwärme aus der Kälteanlage kann für die Fußbodenheizung genutzt werden, so dass kein fossiler Brennstoff mehr benötigt wird.“ Schon seit 2010 wird in den meisten Netto-Filialen die Kühlabwärme über einen Wärmetauscher zur Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser genutzt.
Eine feste Regel beherzigt Veigl zudem immer: Wenn man investiert, müssen die Märkte Mietlaufzeiten von mehr als zehn Jahren haben. Darunter lohnt sich eine energetische Sanierung nicht. Schließlich ist die Netto-Kette an den meisten Standorten Mieter.
„Wenn Sie einen Joghurt für 50 Cent verkaufen, dann haben Sie eine Gewinnmarge von vielleicht drei Prozent. Das sind Minicent-Beträge. Wenn Sie da einen Euro an Energiekosten einsparen, können sie gleich zehn Joghurts mehr profitabel an den Mann bringen“, sagt Veigl. Eine der größten Lebensmittelmarktketten Deutschlands rechnet letztlich nämlich auch nicht anders als ein kleiner Dorfladen in Otersen, ebenfalls Teilnehmer am dena-Modellvorhaben.
Die Teilnehmer des Modellvorhabens
Vom Supermarkt bis zum Dorfladen
Modellvorhaben „Energieeffizient Handeln“ Seit Anfang 2017 betreibt die dena ihr Modellvorhaben „Energieeffizient Handeln“. Rund 25 Einzelhändler verschiedenster Größe werden auf Basis einer umfassenden Energieberatung dabei unterstützt ihren Energieverbrauch um bis zu 40 Prozent zu senken. Das Pilotprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und durch zahlreiche Partner aus der Wirtschaft (Hottgenroth, Hörburger, Krumedia, Multicross, Vattenfall Wärme Europe) sowie Institutionen und Verbänden (EHI Retail Institute, Handelsverband Deutschland, Zentraler Immobilien Ausschuss) unterstützt. Mehr unter energieeffizient-handeln.de
Otersen ist ein niedersächsisches Idyll. Ein Ort, an dem man an einem schönen Tag sofort einen Reklamefilm für Fruchtjoghurt, Margarine oder Pumpernickel drehen könnte.
Im Dorfladen der 500-Seelenansiedlung zwischen Pferdekoppeln und lauschigen Lindenalleen stehen diese Produkte im Kühlregal. Sie auf sechs Grad Celsius zu halten, trägt zu den knapp 11.000 Euro Stromkosten bei, die der nicht auf Gewinn ausgerichtete Bürgerladen pro Jahr zu bezahlen hat.
„Als wir den Laden 2011 neu eingerichtet haben, wurden Kühlgeräte angeschafft, die damals schon acht Jahre alt waren. Was man bei solchen Geräten an Einsparmaßnahmen tun kann, haben wir gemacht, etwa die Innenbeleuchtung gegen LEDs ausgetauscht “, sagt Günter Lühning. Er initiierte das 180 Quadratmeter große Geschäft über einen Bürgerverein, als in seinem Heimatort der letzte Lebensmittelladen aufgegeben hatte.
Lühning, Mittfünfziger, robuster Niedersachse, Familienvater und Firmenkundenberater in einer Sparkasse, muss nicht nur im Hauptberuf scharf rechnen. Denn auch der von ihm in der Freizeit betreute Dorfladen muss mit spitzem Stift an seine Energiebilanz herangehen, damit Aufwand und Ertrag sich lohnen. Der Laden bildet nicht so schnell Rücklagen. An einem Freitagnachmittag rollt etwa alle zehn Minuten ein Auto auf den Parkplatz und eine Kiste Herforder Bier und eine Tiefkühlpizza werden verladen. Dann ist erst mal wieder Ruhe.
Der Bürgerverein hatte die 200 Jahre alte Fachwerkimmobilie vor sieben Jahren gekauft und auf Neubaustand modernisiert. Wände wurden gedämmt und Photovoltaik auf dem Dach installiert. „Die Kältetechnik ist momentan die akute Herausforderung für uns“, fasst Lühning das Ergebnis des Energieberatungsprozesses zusammen, bei dem der Dorfladen durch den erfahrenen Energieberater Marcel Riethmüller von Ecogreen Energie und Andreas Kaupp vom Gebäudetechnikspezialisten Hörburger unterstützt wurde.
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„Regionalität und Nachhaltigkeit sind uns wichtig. Wir wollen Energiekosten sparen und einen Beitrag zum Klima-schutz leisten.“
An den Stromverbrauchern wurden im Zählerschrank orangene Messwürfel installiert. Was die Sensoren erfasst haben, steht nun auf 60 Seiten Diagnosebericht. Die Kühltruhen nachts abzudecken bringt zum Beispiel 123 Euro Einsparung pro Jahr. Das Enteisen setzt noch mal 24 Euro obendrauf. Die letzten zwanzig Halogenstrahler des Ladens gegen LED zu tauschen, bringt noch mal 450 Euro.
Im Vergleich zu den betagten Kühlmöbeln sind diese Einsparpotentiale aber eher winzig. Denn „durch eine neue, zentrale Kälteanlage kann eine Einsparung von etwa 33% erreicht werden“, heißt es im Bericht. 2.000 Euro weniger Stromkosten pro Jahr – allerdings für eine Investition von 51.000 Euro, die sich erst nach 26 Jahren amortisiert. Rechnet sich so etwas in einem Laden, der nur eine schwarze Null schreiben will?
„Das lohnt sich dann – und das wusste ich vorher auch nicht – wenn wir auf CO2-Kühlung umstellen“, sagt Lühning. In zwei Jahren muss der Einzelhandel gesetzlich sowieso auf klimafreundliches Kältemittel wechseln. Und das wird, so riet dem Niedersachsen der Energieberater, bei so kleinen Geschäften mit bis zu 85 Prozent bezuschusst. So passt die Modernisierung mit einer Amortisationszeit von zwei Jahren auch sinnvoll in das Budget seines Bürgerladens. Damit werden die Joghurts in Otersen bald mit einem Drittel weniger Energieeinsatz gekühlt.